14 Uhr: Zwischen Action und Entspannung
14 Uhr: Zwischen Action und Entspannung

14 Uhr: Zwischen Action und Entspannung
Aufgeregt und glücklich läuft ein kleiner Junge über den Rasen. In seiner Hand eine orangefarbene „Poolnudel“, die fast wie in einem Cartoon viel zu groß für ihn erscheint. Im Zick-Zack geht es um die liegenden Handtücher, der Vater versucht, eifrig Schritt zu halten. Auf den Handtüchern liegen Badegäste. Sie sonnen sich oder sitzen und spielen auf ihrem Handy. Eine junge Dame, die auf ihrem schwarz-weiß gestreiften Tuch liegt, scheint zu schlafen. Neben ihr ein Buch „Der goldene Handschuh“, von Heinz Strunk. Entspannung pur. Zeitgleich gibt es das genaue Gegenteil am Beckenrand zu beobachten. Dort spielen Viktoria und Artjoms Oks. Sie toben und springen vom Beckenrand, beim Rausklettern schubst Artjoms seine Schwester direkt wieder ins Wasser. „Wir spielen hier einfach gerne und haben Spaß“, sagt Artjoms und springt erneut ins kühle Nass.
Das Heidebad in Buxtehude ist eines von über 3500 Freibädern in Deutschland. Mit Freibädern, Hallenbädern, Freizeit- und Kombibädern gibt es fast 7000 Schwimmbäder in Deutschland, etwa die Hälfte davon sind Freibäder. Eines der ersten Freibäder Norddeutschlands war die Kreidemannsche Anstalt in der Hansestadt Lübeck. Es wurde 1799 von dem Schwimmlehrer Anton Kreidemann eröffnet.
7 Stunden zuvor
Es hat sich bereits eine Schlange vor den Toren des Freibades gebildet, als kurz vor sechs Uhr das elektronische Drehkreuz die ersten Badegäste hinein lässt. Die Frühschwimmer grüßen die Schwimmmeister freundlich, sie kennen sich. Wer morgens ins Freibad geht, ist oft Stammgast. Wenn die ersten Gäste ins Bad kommen, sind die Bademeister bereits eine Stunde im Einsatz. Uriger Nebel liegt dann noch über dem Bad, der durch das warme Wasser und die kalte Luft entsteht. Babista macht mit seinem Kollegen Björn Goslar die Wasserprobe. 0,3 bis 0,6 mg/l an Chlor sind erlaubt. In Buxtehude sind es 0,4 mg/l – alles im Reinen.
Später sitzt am sogenannten Kaffeetisch eine Gruppe älterer Herren. Die fünf Männer tauschen sich angeregt über die Welt und das Leben aus. „Nur Politik ist tabu“, sagt Kurt Henke. Fast jeden Morgen treffen sich am runden Tisch neben der Schwimmmeister-Kabine ein paar Frühschwimmer auf eine Tasse Kaffee. Im kommenden Sommer werden sie nicht an ihrem Tisch sitzen können. Die Stadtwerke Buxtehude werden das Heidebad für fünf Millionen Euro sanieren. Aufgrund der Umbaumaßnahmen bleibt das Bad im Sommer 2019 geschlossen. Das stößt vielen Gästen sauer auf.
„Einen Sommer nicht ins Heidebad zu können, ist natürlich blöd. Dafür wird allerdings sichergestellt, dass man hier weitere 40 Jahre ein Freibad hat“, hält Rebekka Kalkowski, stellvertretende Badbetriebsleiterin, dagegen. Doch die Badegäste ärgern sich nicht nur, dass das Freibad geschlossen bleibt, sondern auch über die mangelnde Transparenz. So auch Henke. „Sie müssen ja gar nicht mit uns diskutieren, aber es wäre schön gewesen, wenn sie das Konzept mal besser vorgestellt hätten. Da fehlt mir die Transparenz“, sagt der 71-Jährige und nimmt einen Schluck aus seiner kleinen Kaffeetasse. Derweil legen sich auf den Liegen und der Wiese die ersten Gäste in die Sonne. Die Wiese soll sich in den nächsten Stunden zunehmend füllen. Der Ansturm im Heidebad ist in den frühen Nachmittagsstunden am größten.
15 Uhr: Pommes und Hot Dogs
Die Liegewiese füllt sich, ebenso wie das Schwimmbecken, mit immer mehr Menschen. Auch vor dem Imbiss im Heidebad bilden sich immer wieder Schlangen. „Möchtest du Ketchup oder Mayo?“, fragt Bärbel Schwarz hinter der Theke einen kleinen Jungen freundlich. Pommes seien natürlich der absolute Renner im Imbiss, gefolgt von Hamburgern und Hotdogs. Nicht gerade gesundes Essen, aber ein vielfältigeres Menü könne nicht angeboten werden. „Salat oder Ähnliches würde zu schnell schlecht werden, gerade weil wir die Kühlung so oft öffnen. Das dient ja auch dem Schutz der Gäste“, erklärt Schwarz. Ein paar Meter weiter sitzen Benedict und Linus Wedemann unter dem Sonnenschirm. Während Benedics in seine Pommes piekst, nimmt Linus einen großen Schluck aus seinem rot-grünen Slush-Eis. Für die beiden gehören Pommes und Eis genauso zum Freibad, wie die Sonne oder die 55 Meter lange Rutsche, ihr liebster Zeitvertreib im Freibad.
Immer mehr Nichtschwimmer
2016 sind erstmals seit zehn Jahren laut DLRG-Jahresbericht über 500 Menschen in Deutschland ertrunken. Davon ereigneten sich allerdings nur 19 Todesfälle im Schwimmbad. Die meisten Deutschen ertrinken in Bächen, Flüssen oder Kanälen (274), gefolgt von Seen und Teichen (167). Das Heidebad bestätigt diesen Trend, die Schwimmmeister dort sprechen von einer „Handvoll Einsätzen“. Und das, obwohl es zunehmend Nichtschwimmer gibt. Laut einer Forsa-Umfrage sind 52 Prozent der Befragten Nichtschwimmer oder können nur schlecht schwimmen. 59 Prozent der Zehnjährigen sind keine sicheren Schwimmer. Als sicherer Schwimmer gilt, wer mindestens das Jugendschwimmabzeichen in Bronze erlangt hat. Der Rückgang an Schwimmern ist laut DLRG eng mit dem Rückgang des Schulschwimmunterrichtes verbunden. Nur noch 36 Prozent der 14- bis 29-Jährigen lernten das Schwimmen in der Grundschule. Mittlerweile haben fast 25 Prozent der Grundschulen keinen Zugang zu einem Bad. Trotzdem legten 2016 genau 136 344 Menschen eine Schwimmprüfung ab.
17 Uhr: Ansturm auf den Dreimeterturm
In den kurzen Momenten, in denen der Dreimeterturm geöffnet hat, ist der Ansturm groß. Cavin Bösch steigt die Stufen des Turms hinauf, bleibt am Ende des Brettes mit dem Rücken zum Wasser stehen. Zweimal federt er kurz, um Schwung zu holen und springt mit einem Rückwärtssalto ins Wasser. Der 12-Jährige wohnt nur zwei Häuser vom Freibad entfernt, verbringt entsprechend viel Zeit im Heidebad. Er ist einer von über 1000 Besuchern, die an diesem Tag die Abkühlung im Freibad suchen.
„Eher ruhig für die Sommerferien mit so gutem Wetter“, kommentiert Schwimmmeisterin Kathrin Müller, den Blick fest auf eine Gruppe Kinder im Wasser gerichtet. In der Spitze kamen früher bis zu 4000 Menschen ins Heidebad. Diese Zahlen werden heute nur noch selten erreicht, dafür gebe es einfach zu viele Freizeit-Angebote, besonders für die Jugend, mutmaßt René Babista. Dennoch sind bereits 55 000 Besucher in diesem Jahr ins Heidebad gekommen. Daher rechnen sie im Buxtehuder Heidebad fest damit, auch dieses Jahr wieder die 100 000-Besucher-Marke zu knacken.