Feuer- und Rettungswache Siegen in Schieflage
Feuer- und Rettungswache Siegen in Schieflage

1. Akt: Ein neuer Dienstherr zieht ein
Als Feuerwehr und Leitstelle 2010 in ihren Neubau einzogen, schlossen Kreis und Stadt einen neuen Vertrag. Weiterhin sollte die Stadt das Personal für die Leitstelle stellen, also das Team von Feuerwehrchef Matthias Ebertz (Foto). Dem widersprach das Innenministerium: Der Kreis müsse seine Aufgabe, eben den Betrieb der Leitstelle, schon mit eigenem Personal bewerkstelligen. Daraufhin wechselten zum 1. Januar 2015 die städtischen Feuerwehrbeamten, die als Disponenten in der Leitstelle die Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst koordinieren, zum Kreis. Fortan ist nicht mehr der Bürgermeister, sondern der Landrat ihr oberster Chef.
2. Akt: Ein alte Rechnung ist offen
Der Landrat bemerkt sehr bald, dass ihm Geld fehlt: die Rücklage, die für Krankheitskosten pensionierter Feuerwehrbeamter bei der Stadt gebildet wurde. Die wäre keine Rede wert, wenn sie bei der Stadt aus den Büchern gestrichen und beim Kreis hineingeschrieben würde. Nur: In der Rücklage der Stadt steckt vom Kreis bezahltes Geld für den Leitstellenbetrieb. Sagt der Kreis.
Ende 2016 wird das Verwaltungsthema erstmals zum Politikum: Wegen des auf 675 000 Euro bezifferten Betrags verweigert die CDU-Fraktion dem Landrat die Entlastung für das Jahr 2015. In der Sache haben sich Stadt und Kreis auch ein Jahr später gerade einmal darauf verständigt, die Verjährung der Ansprüche auf Ende 2018 hinauszuschieben.
Das wird auf eine Klage hinauslaufen.“
Landrat Andreas Müller
Wir haben da andere Sichtweisen."
...sagt die Stadt Siegen
Zum einen seien Rücklagen dieser Art nur auf dem Papier gebildet worden – überall, wo vor zehn Jahren das Neue kommunale Finanzmanagement eingeführt wurde. Zum anderen gebe es „gegenseitige Ansprüche“, sagt der Stadtkämmerer. Eigentlich habe die Stadt dem Kreis zu wenig Geld für den Leitstellenbetrieb berechnet.
Kämmerer Wolfgang Cavelius
„Wir haben den Ausgleich gesucht“, „dass wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, finde ich schade.“
3. Akt: Der Streit eskaliert
Ende 2017 eskaliert der Streit zwischen Kreis und Stadt. In der Jahresdienstbesprechung der Siegener Feuerwehr kritisiert der städtische Feuerwehrchef Matthias Ebertz die „Kommunikation mit dem Kreis“. Das Personal der (Kreis-)Leitstelle sei „zum Teil sehr gefrustet“. Der bisherige Leiter der Leitstelle und der IT-Spezialist der Leitstelle kehren zurück in den Dienst der Stadt Siegen, drei Disponenten haben andere Jobs in Heimatnähe gefunden, zwei beim Kreis Olpe, einer bei der Stadt Köln.
Landrat Andreas Müller reagiert sauer: Er hätte es „nicht für möglich gehalten, dass im Beisein des Bürgermeisters und des Beigeordneten Dienststellen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreises öffentlich diskreditiert werden“.
Wenige Tage später fordert die CDU-Fraktion im Kreistag, Dezernentin Helge Klinkert (Foto) die Zuständigkeit für die Leitstelle zu entziehen. Im Januar 2018 legt Erndtebrücks Gemeindebrandmeister Karl-Friedrich Müller nach: Die „Sicherheitslage“ im Kreis habe sich verschlechtert.
Das sagt die Stadt
Wir haben Mängel im System aufgezeigt.“
Feuerwehrchef Matthias Ebertz
Konkret: dass die Fachkraft für den Digitalfunk („eine neue Aufgabe, die es vor fünf Jahren noch nicht gab“) damals noch nicht im Dienst war. Und dass das Update für den digitalen Einsatzstellenfunk — das ist der Funk, über den sich die Feuerwehrleute am Einsatzort verständigen – auf sich warten ließ. Matthias Ebertz: „Vor Jahren hatten wir eine erheblich bessere Sprachqualität.“
Feuerwehrchef Matthias Ebertz
„Die Leitstelle muss für die Feuerwehr Leistungen erbringen. Wenn da die Leute alle weglaufen, macht man sich natürlich Sorgen.“
Kämmerer Wolfgang Caveliu
„Es gibt keinen Anlass für die im Kreishaus erwartete Entschuldigung. Niemand ist persönlich beleidigt worden.“
Am 15. Januar 2018 unternimmt Landrat Andreas Müller mit einer „Organisationsverfügung“ einen Befreiungsschlag. Neu im Organisationsplan erscheint das „Amt für Brand- und Bevölkerungsschutz, Rettungswesen“. Dass Müller allerdings – vorläufig – Dezernentin Klinkert selbst als Amtsleiterin einsetzt, macht die CDU-Kreistagsfraktion wütend.
4. Akt: Noch ein Kännchen Öl ins Feuer
Das sei eine „Provokation“, erklärt CDU-Fraktionschef Bernd Brandemann (Foto). Sein Stellvertreter Bernd-Dieter Ferger sieht den Landrat („gibt den netten Kerl“) in den Fängen der Dezernentin, der er „wieder mal nachgeben“ musste.
Die SPD keilt zurück. „Schlechten politischen Stil“ wirft Fraktionschef Michael Sittler (Foto) der CDU vor. Sie habe „Ängste geschürt, um diese für die eigenen parteipolitischen Interessen zu instrumentalisieren“.
5. Akt: Der Landrat kümmert sich
Landrat Andreas Müller will das Feuerwehr-Thema „bis in den Frühsommer intensiv begleiten“. Bis dahin, so hofft er, haben sich die Wogen geglättet, mit Jours Fixes, Infomails, jeder Menge Kommunikation. Doch das sieht nach einem langen Weg aus: Zur Dienstbesprechung der elf kommunalen Feuerwehrchefs lud sich der Landrat selbst ein, beim Kreisfeuerwehrverbandstag ist der neue Leitstellen-Chef nicht willkommen. Und für manchen Feuerwehr-Funktionär sind die Mitarbeiter des neuen Bevölkerungsschutzamts – Luft.